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Brief der ABDA-Präsidentin an alle Apothekerinnen und Apotheker

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening richtet sich mit einem Brief an alle Apothekerinnen und Apotheker. In dem Schreiben geht es um die aktuelle apothekenpolitische Situation, die Gespräche mit der Politik über die geplanten Reformvorhaben sowie den anstehenden Protestmonat November.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen,

erneut steht die Apothekerschaft vor großen Herausforderungen und unruhigen Zeiten. Nach unserem aufopferungsvollen und unermüdlichen Einsatz in der Pandemie sichern unsere Apothekenteams in der Lieferengpass-Krise Tag für Tag die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten – trotz Fachkräftemangels und Unterfinanzierung. Und mit Blick auf die nun begonnene Erkältungssaison wird es noch angespannter: Die Botschaften aus dem pharmazeutischen Großhandel lassen erahnen, dass sich die Engpass-Lage im Herbst und Winter wieder verschärfen könnte.

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Auch die politische Lage ist herausfordernd und teils leider auch ideologisch geprägt. Nach wie vor ist die Ampel-Koalition nicht bereit, das bestehende Netz der Apotheken vor Ort finanziell zu stärken und somit zu stabilisieren – obwohl das Ziel der Apothekenstärkung mit dem Koalitionsvertrag auf die Agenda der jetzigen Regierung gesetzt worden war. Vielmehr strebt das Bundesgesundheitsministerium nun eine zerstörerische Strukturreform des Apothekenwesens an. Durch gefährliche Deregulierungen soll es – so die Fehlinterpretation des Ministeriums – für Inhaberinnen und Inhaber attraktiver werden, neue Filialen zu eröffnen. Und anstatt die chronische Unterfinanzierung der Apotheken durch eine Erhöhung des Fixhonorars zu beenden, will das von Karl Lauterbach (SPD) geführte Ministerium eine Honorar-Reform realisieren, die nur einzelne begünstigen und viele zusätzlich belasten würde.

Bitte seien Sie versichert: Wir werden in den kommenden Monaten nicht nur für unsere wichtigste Forderung, die wirtschaftliche Stabilisierung der Apotheken, weiterkämpfen. Wir werden sowohl gegenüber der Politik, aber auch in der Öffentlichkeit, immer wieder mit Vehemenz auf die Gefahren der Lauterbach’schen Pläne hinweisen. Das vom Bundesgesundheitsminister angestrebte Monopoly-Spiel im Apothekenwesen werden wir als ideologisches Taktieren gegen die heilberuflich geführte Apotheke vor Ort enttarnen. Unsere Patientinnen und Patienten wollen keine Apotheken ohne Apothekerinnen und Apotheker, sie wollen keine Filialapotheken ohne Notdienste und ohne Rezepturen. Unsere Postkartenaktion hat – dank Ihrer Mithilfe – gezeigt, was die Menschen von uns erwarten: Sie brauchen die wohnortnahe und verbindliche Arzneimittelberatung, sie brauchen die niedrigschwellige Expertise der Apothekerinnen und Apotheker und sie brauchen ein flächendeckendes, stabiles und leistungsstarkes Netz an Apotheken vor Ort, am Tag wie in der Nacht.

Genau mit diesen Aussagen werden wir in den kommenden Wochen und Monaten zahlreiche Gespräche führen – nicht nur mit dem Bundesgesundheitsministerium, sondern insbesondere mit den Bundestagsabgeordneten und den Ländern. Eines zeichnet sich nach den ersten Gesprächen jetzt schon ab: Wir stehen vor einem apothekenpolitischen Marathonlauf. Der Minister strebt an, seine Apothekenpläne in einem eigenständigen Gesetz umzusetzen. Das heißt für uns: In den kommenden Monaten steht uns ein gesamtes Gesetzgebungsverfahren ins Haus – mit Anhörungen, Stellungnahmen sowie mehreren Lesungen und Beratungen im Bundestag und Bundesrat.

Für die Kommunikation unserer Forderungen bedeutet das, dass sich bis ins Frühjahr 2024 hinein noch zahlreiche Anlässe ergeben werden, zu denen wir – je nach Stand der Gespräche mit der Politik – gemeinsam agieren müssen. Der bundesweite Protesttag am 14. Juni war ein so bedeutendes und starkes Zeichen der Apothekerschaft, weil wir geschlossen aufgetreten sind. Er war aber auch bezüglich des Timings wichtig, schließlich fand genau in dieser Juniwoche die Anhörung zum Lieferengpass-Gesetz und wenige Tage später die Zweite Lesung im Bundestag statt. Unsere Kommunikationsmaßnahmen zu der nun angekündigten Apothekenreform werden wir daher an den Rhythmus des anstehenden Gesetzgebungsverfahrens anpassen. Gerade deswegen ist unser Protestmonat im November so wichtig: Es ist durchaus möglich, dass wir noch in diesem Herbst einen ersten Entwurf oder konkretere Eckpunkte zu dieser Reform bekommen. Wichtig ist es also, dass wir der Bevölkerung, aber auch den Medien und der Politik den gesamten November über zeigen, dass wir für die Arzneimittelversorgung durch die Apotheken vor Ort kämpfen. Wenn es uns gelingt, an den vier angestrebten Protest-Terminen ein starkes Signal auszusenden, werden wir die dann folgenden Phasen des Gesetzgebungsverfahrens gestärkt bestreiten können.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ich möchte Sie eindringlich bitten: Kämpfen sie für den Erhalt der Apotheken vor Ort, kämpfen Sie für die Aufrechterhaltung der Arzneimittelversorgung unserer Patientinnen und Patienten. Nutzen Sie dazu die Kommunikationsmaterialien und Argumentationshilfen, die Ihnen von Ihrem Verband, Ihrer Kammer und der ABDA in den kommenden Tagen zur Verfügung gestellt werden. Treten Sie in den Austausch mit den Bundestagsabgeordneten in Ihrer Region – teilen Sie den Politikerinnen und Politikern mit, welche Szenarien der Bevölkerung drohen, wenn Apotheken ohne Apothekerinnen und Apotheker, ohne Rezeptur und ohne Notdienste die Menschen versorgen dürfen. Aber ich möchte Sie auch bitten: Lassen Sie uns diesen Marathon gemeinsam bestreiten. Vertrauen Sie Ihrer Standesvertretung – je nach Stand der politischen Beratungen werden wir rechtzeitig die nächsten Kommunikationsschritte bekanntgeben. Lassen Sie uns bei diesen Schritten geschlossen und zusammen agieren. Das wir das können, haben wir im Juni bewiesen. Nur so können wir verhindern, dass die Politik Spaltpilze in die Apothekerschaft setzt und dadurch einen Keil zwischen uns treibt.

Herzliche und kollegiale Grüße

Ihre

Gabriele Regina Overwiening