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2025 findet vom 17. bis 23. November die Antibiotikaresistenzwoche statt. Die Zahl von über 10.000 Todesfällen in Deutschland, die im Zusammenhang mit Antibiotikaresistenzen stehen, ist erschreckend hoch, die Tendenz steigend. Die Gründe dafür sind vielfältig. Auch die Prävention von Infektionskrankheiten stellt eine wichtige Säule dar. Gegen eine Reihe von Infektionskrankheiten bieten Impfungen einen Schutz und reduzieren die Krankheitsfälle, aber auch die Anzahl der schweren Verläufe mit nachgelagerten bakteriell verursachten Superinfektionen, die dann häufig eine Antibiose notwendig machen.
Vom 18. bis 24. November 2025 findet die alljährliche World Awareness Week zu antimikrobiellen Resistenzen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) statt. Zur Vorbereitung der Aktionswoche konnten am 8. Oktober 2025 digital etwa 600 Teilnehmende spannende Einblicke rund um die Infektionsprävention erhalten.
In seinem Grußwort motivierte Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann, sich aktiv sowohl in Prävention und das Impfen einzubringen als auch in die Begleitung der immer komplexer werdenden Arzneimitteltherapien. Die Fortbildungs- und Qualitätsmanagement-Ausschuss-Vorsitzende Dörte Lange moderierte den Abend.
Im ersten Vortrag vermittelte Dr. Verena Stahl die Fallstricke rund um die Abgabe von Selbsttests. Neben fehlerhafter Anwendung und Fehlinterpretationen oder richtigem Verhalten des Verbrauchers im Fall eines positiven Testergebnisses. Diese lassen sich durch eine gute Beratung minimieren. Selbsttests sind aber auch in anderer Hinsicht beratungsintensiv. Das Apothekenpersonal muss die Grenzen bezüglich Sensitivität und Spezifität verbrauchergerecht erläutern sowie zu sensibilisieren, dass ein Testergebnis in vielen Fällen allein keine vollständige Diagnose darstellt und ein Arztbesuch sinnvoll ist. Sie stellte am Beispiel eines Mehrfachtests für RSV, SARS-CoV-2“ und Influenza A/B dar, welche Probleme bestehen, den richtigen Zeitpunkt für die Testung zu finden, um möglichst ein sicheres Abgrenzungsergebnis zu erhalten. Dr. Stahl erklärte auch, welche Tests mit Arztvorbehalt, d.h. Tests zu meldepflichtigen Infektionen dennoch an Endverbraucher abgegeben werden dürfen (Streptokokken-A-Tests), wenn diese für Laien konzipiert sind, und in welchen Ausnahmen Tests (u.a. HIV, Hepatitis, SARS-CoV-2) in der Apotheke durchgeführt werden dürfen.
Gegen viele Infektionskrankheiten ist die aktive Immunisierung die beste Präventionsstrategie. Prof. Dr. Robert Fürst stellte nach einem kurzen Exkurs in die Immunologie die aktuellen Entwicklungen in der Weiterentwicklung von Impfstoffen vor. Er erläuterte die Unterschiede zwischen den Lebendimpfstoffen, die gleichermaßen CD 4 und CD 8 aktivieren, den Tot-Impfstoff, die CD 4 aktivieren und den neuen genbasierten m-RNA-Impfstoffen, die durch Antigenebildung des Erregers im Organismus des Impflings selbst wie Lebendimpfstoffe über CD 4 und CD 8 eine Immunität erreichen. Im Weiteren stellte Prof. Fürst moderne Adjuvanzien vor, mit denen hochwirksame Impfstoffe hergestellt und damit ebenfalls wirksamer werden. Dennoch gibt es weiterhin Erreger, wie z.B. HIV, für die es bislang keine Strategie einer aktiven Immunisierung gibt. Zukünftige Ziele sind deshalb die Entwicklung von Impfstrategien für diese Erreger und neue Konzepte zur Weiterentwicklung der Königsklasse an Impfstoffen, die zu einer mukosalen Immunität führen. Sein größter Wunsch ist, dass alle Menschen auf der Welt Zugang zu Impfungen haben.
In Apotheken darf bislang „nur“ gegen Grippe und Covid-19 geimpft werden. Dr. Steffen J. Schmidt motivierte mit seinem Vortrag auf den Zug aufzuspringen, Impfen als Präventionsleistung im Angebot der Apotheke fest zu etablieren. Bundesweit sind 14.500 Apothekerinnen und Apotheker in der Lage zu impfen. Vor allem für jüngere Menschen ohne regelmäßigen Arztkontakt bietet die Apotheke ein unkompliziertes Präventionsangebot. Aber auch die Zielgruppen Menschen über 60 oder mit Grunderkrankungen sind in Deutschland zu wenig durchgeimpft. Für Grippe ist das WHO-Ziel, dass 75 % der über 60-Jährigen geimpft sein sollen – in Deutschland lag die Impfquote im vergangenen Jahr unter 40 %. Hier muss und kann in Apotheken beraten und bestenfalls dann auch geimpft werden. Die Apotheke wird durch das Impfangebot als kostenloser und terminunabhängiger Dienstleister mit individuellem Gesundheitsangebot wahrgenommen. Und: Impfen macht Spaß, so sein persönliches Fazit.
Dr. Katja Renner zeigte in Ihrem Beitrag zu Antibiotika und AMTS in der Apothekenpraxis, welche Kombinationen mit anderen Wirkstoffen den Erfolg der Antibiotikatherapie oder der Dauermedikation gefährden kann. Auch ohne weitere Arzneimitteleinnahme können Antibiotika durch UAW einige Probleme bereiten wie Allergien, Pilzinfektionen, antibiotikabedingter Diarrhö oder pseudomembranöse Colitis. Deshalb sollte bei Durchfall im Zusammenhang mit einer Antibiotikumgabe keinesfalls Loperamid abgeben, sondern an den Arzt verwiesen werden. Anhand von Fallbeispielen stellte sie vor, was z. B. passiert,
wenn orales Kontrazeptivum auf Antibiotikum trifft, sollte auch bei geringem Risiko für eine Interaktion zusätzlich verhütet werden,
wenn Ciprofloxacin auf Citalopram und Diphenhydramin trifft (QT-Zeit-Verlängerung),
wenn Makrolide und Statine zusammen eingenommen werden (CYP-Inhibition mit Steigerung der UAW der Statine),
wenn Antikoagulantien auf Antibiotika treffen (Steigerung des Blutungsrisikos).
Muss wegen schwerwiegender Nebenwirkungen oder UAW die Antibiotikumtherapie abgebrochen werden oder nimmt der Patient aus Verunsicherung sein Antibiotikum nicht korrekt ein, steigt das Risiko für Antibiotikaresistenzen. Das gilt es unbedingt zu vermeiden. Dr. Renner wies auf eine Patienteninformation zu Antibiotikaresistenzen und den richtigen Umgang mit Antibiotika hin.
Dr. Katja Renner, die Vorstandsmitglied der Apothekerkammer Nordhein ist, forderte in einem Schlusswort auf, sich als Ort der Gesundheit weiterzuentwickeln, pDL und Impfen anzubieten und sich nicht durch die politischen Entwicklungen beeinflussen zu lassen.
Was hat Sie persönlich dazu bewegt, sich im Bereich Antibiotic Stewardship (ABS) zu engagieren und welche Qualifikationen waren dafür entscheidend?
Primär, weil es in vielen Kliniken nach wie vor nur wenige Personen gibt, die sich wirklich mit Antibiotikatherapie auskennen. Und selbst wenn es solche Ärztinnen und Ärzte gibt, fehlt oft das pharmazeutische Know-how in diesem Bereich.
Über die ABS-Arbeit kann man häufig eine Tür zur klinischen Pharmazie auf Station öffnen und diese dann schrittweise auf weitere Bereiche der klinischen Therapie ausbauen. Für mich war ABS ein wichtiger Schritt, um meine Position auf Station zu stärken und pharmazeutische Dienstleistungen auch in diesem Feld zu etablieren. Ich habe schnell gemerkt, wie sehr unsere pharmazeutische Expertise gefragt ist – und wie viel sie unseren Patientinnen und Patienten bringt.
Wie würden Sie beschreiben, was Sie im Krankenhausalltag konkret zum Thema Antibiotikatherapie beitragen – und welche Situationen sind besonders herausfordernd?
Wie schon erwähnt, ist unsere pharmazeutische „Brille“ das, was uns auszeichnet. Dazu gehört nicht nur die reine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz, sondern auch die individuelle Beurteilung der Pharmakokinetik, Sicherheitsaspekte bei Komorbiditäten, Wechselwirkungen, Monitoring und das Management von Nebenwirkungen. Je nach Erfahrung und Kenntnis beraten wir auch bei der Auswahl und Dauer der Therapie.
Anfangs war jede Entscheidung herausfordernd. Wir arbeiten beratend, aber im Klinikalltag werden wir als Expertinnen und Experten wahrgenommen und unsere Empfehlungen werden häufig direkt umgesetzt. Dabei muss jedem klar sein, dass wir für unsere Empfehlungen Verantwortung tragen – ähnlich wie die verordnenden Ärztinnen und Ärzte, auch wenn das rechtlich (noch) nicht gleichgestellt ist.
Besonders schwer fällt es, Empfehlungen bei kritisch kranken Patientinnen und Patienten zu geben, etwa wenn es um Deeskalation oder gar das Absetzen einer Therapie geht. Selbst wenn man überzeugt ist, dass es der richtige Weg ist – eine gewisse Unsicherheit bleibt immer.
Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, wenn verschiedene Berufsgruppen – Ärzte, Pfleger, Apotheker – gemeinsam daran arbeiten, den Antibiotikaeinsatz so sinnvoll wie möglich zu gestalten?
Von interprofessionellen Visiten profitieren nicht nur die Patientinnen und Patienten, sondern auch wir selbst. Jede beteiligte Person bringt ihre eigene Perspektive mit, geprägt von Wissen und Erfahrung. Wir dürfen nicht vergessen, dass klinische Erfahrung die dritte und sehr wichtige Säule der evidenzbasierten Medizin ist.
Leider sind Pflegekräfte in Deutschland, soweit ich weiß, im Bereich ABS bislang noch wenig eingebunden – das sollte und hoffentlich wird sich künftig ändern.
Wie beurteilen Sie die Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Behandlung, wenn Patienten nach der Entlassung weiterhin Antibiotika benötigen? Mit welchen Maßnahmen könnte man mögliche Über-, Unter- oder Fehlversorgung in dieser Situation vermeiden?
Leider ist in Deutschland die stationäre und ambulante Versorgung noch immer stark voneinander getrennt. Das führt zu erheblichen Problemen in der Therapiekontinuität, die sich nur begrenzt durch Medikamentenmitgaben (meist nur für das Wochenende oder Feiertage) oder Entlassmanagement-Rezepte überbrücken lassen. Viele dieser Rezepte werden zudem verspätet eingelöst – was bei einer Antibiotikatherapie gravierende Folgen haben kann. Auch ein zusätzlicher Apothekenbesuch direkt nach dem Krankenhausaufenthalt ist häufig nicht im Sinne der Patientinnen und Patienten.
Ein großes Problem stellt die ambulante parenterale Antibiotikatherapie (APAT) dar. Viele Patientinnen und Patienten bleiben wochenlang in der Klinik, nur weil sie eine intravenöse Therapie benötigen, die nicht oral fortgesetzt werden kann. Durch die strikte Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung ist die Organisation und Durchführung einer APAT in Deutschland sehr schwierig. In vielen anderen Ländern ist sie längst Routine und erleichtert den Patientinnen und Patienten den Alltag erheblich – in Deutschland kämpfen viele Kliniken noch mit der praktischen Umsetzung.
Wenn Sie an die aktuelle Versorgungslage denken: Welche Engpässe oder Risiken beschäftigen Sie besonders, und wie gehen Sie im Alltag damit um?
Zum jetztigen Zeitpunkt [1. November 2025, Anm. d. Red.] ist die Situation relativ entspannt. In den vergangenen Monaten und Jahren hatten wir jedoch massive Engpässe bei wichtigen Antibiotika wie Ampicillin oder Cotrimoxazol.
Bei Lieferengpässen müssen wir schnell reagieren, um vorhandene Bestände für die Indikationen zu reservieren, bei denen das betroffene Medikament zwingend benötigt wird. Manche Engpässe lassen sich relativ leicht über einen Substanzwechsel umgehen – bei anderen, wie beim Cotrimoxazol, ist das deutlich schwieriger. In diesem Fall haben wir gemeinsam mit den Klinikern absolute Indikationen definiert, Alternativen geprüft und deren Anwendung sowie Sicherheitsprofile erläutert. Oft arbeiten dabei mehrere Bereiche der Krankenhausapotheke zusammen – von der Rezeptur bis zur sterilen Herstellung.
Jeder Engpass kann aber auch eine Chance sein: Er zwingt uns, Routinen zu überdenken, den Antibiotikaeinsatz kritisch zu prüfen und nach neuen Wegen zu suchen.
Wenn Sie nach vorne blicken: Welche Entwicklungen – sei es bei neuen Wirkstoffen, digitalen Hilfsmitteln, rechtlichen Rahmenbedingungen oder organisatorischen Veränderungen – wären aus Ihrer Sicht besonders wichtig, um Antibiotic Stewardship in Zukunft weiter zu stärken?
Das Wichtigste wäre aus meiner Sicht eine bessere finanzielle Ausstattung von ABS-Projekten. Es gibt viele engagierte Kolleginnen und Kollegen in Deutschland, die sich in diesem Bereich einbringen möchten – doch in vielen Kliniken fehlen schlicht die finanziellen Mittel für ausreichend Personalstellen. Viele versuchen, ABS zusätzlich zu anderen Aufgaben mitzubetreiben aber verfügen nur über begrenzte Zeitressourcen.
Wir brauchen in jedem Krankenhaus stabile Strukturen, die den rationalen Einsatz von Antibiotika sicherstellen – also fest verankerte ABS-Programme. Das ist entscheidend, damit unsere Patientinnen und Patienten die bestmögliche Therapie erhalten und Resistenzen langfristig vermieden werden.
Die Abgabe von Antibiotika gehört zum Alltag in der Apotheke. Aufgrund der meist kurzen Therapiedauer stehen sie jedoch selten im Fokus pharmazeutischer Dienstleistungen. Dabei können Apothekerinnen und Apotheker einen entscheidenden Beitrag zur Arzneimitteltherapiesicherheit leisten – insbesondere bei komplexen Therapien und in Zeiten häufiger Lieferengpässe.
Im Rahmen der Antibiotikawoche stellen wir einen praxisnahen Fall vor, der zeigt, wie pharmazeutisches Fachpersonal zur sicheren und kontinuierlichen Antibiotikatherapie beitragen kann.
Eine Frau kam mit einem Privatrezept für ihren 54-jährigen Ehemann in die Apotheke. Verordnet waren:
Cotrimoxazol 800 mg/160 mg Tbl. N2 20 St. 1-1-1 für weitere 10 Wochen
Rifampicin 450 mg Tbl. N3 100 St. 1-0-1 für weitere 10 Wochen.
Rifampicin ist ein starker Induktor von P-Glykoprotein (P-gp) und Cytochrom-P450-Isoenzymen in der Leber. Diese sind maßgeblich an der Metabolisierung vieler Arzneimittel beteiligt. Aus diesem Grund wurde die Frau gefragt, welche weiteren Medikamente der Patient einnimmt. Sie konnte diese Frage nicht beantworten, meinte jedoch, das Rezept sei für ihren Mann, der Arzt sei und sich sicherlich auskenne.
Schließlich kam der Mann aus dem Auto in die Apotheke. Er berichtete, dass er vor einigen Wochen eine Knieprothese erhalten habe, die sich relativ schnell infiziert habe. Die Infektion sei chirurgisch in der Klinik behandelt worden, und nun solle er die genannten Antibiotika für weitere 10 Wochen einnehmen. Zusätzlich nehme er nur noch Rivaroxaban wegen der Prothese. Aus dem Rezept benötige er nur noch das Rifampicin, da er Cotrimoxazol bereits in einer anderen Apotheke erhalten habe. Von dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Lieferengpass bei Cotrimoxazol habe er nichts mitbekommen.
Rifampicin ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie bei Infektionen mit Fremdmaterialbeteiligung, insbesondere bei Staphylococcus aureus. Der Grund dafür ist, dass Rifampicin eine exzellente Penetration in bakterielle Biofilme besitzt, die sich häufig auf Implantaten wie Knie- oder Hüftprothesen bilden. Diese Biofilme bestehen aus extrazellulären polymeren Substanzen, die Bakterien vor dem Immunsystem und vor vielen Antibiotika schützen. Rifampicin wirkt intrazellulär und kann auch ruhende Bakterien im Biofilm erreichen. Diese Eigenschaft fehlt bei vielen anderen Antibiotika.
Wichtig ist, dass Rifampicin niemals als Monotherapie eingesetzt werden darf, da sich rasch Resistenzen entwickeln können. Es wird daher immer in Kombination mit einem weiteren wirksamen Antibiotikum verordnet – in diesem Fall mit Cotrimoxazol.
Laut einer aktuellen Meta-Analyse zeigt die Kombination von Rifampicin bei Protheseninfektionen nur in Verbindung mit einem Fluorchinolon einen klaren Mehrwert in Bezug auf die klinischen Heilungsraten. Diese Ergebnisse müssen noch durch weitere Studien bestätigt werden. Bei nicht vermeidbaren Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln könnte jedoch ein Absetzen von Rifampicin in Erwägung gezogen werden.
Rivaroxaban wird über CYP3A4 metabolisiert und unter anderem über P-Glykoprotein transportiert. Die gleichzeitige Gabe mit Rifampicin kann zu einer signifikanten Reduktion der Rivaroxaban-Plasmaspiegel mit potenziell nicht ausreichender antithrombotischer Wirkung führen. Studien zeigen, dass sowohl die maximale Plasmakonzentration (cmax) als auch die Fläche unter der Kurve (AUC) deutlich reduziert werden können. Das birgt potenziell ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse.
Auf Nachfrage gab der Patient an, Rivaroxaban zur Thromboseprophylaxe nach der Knieendoprothese einzunehmen. Diese Indikation besteht, bis eine sichere Vollbelastung möglich ist (in der Regel innerhalb von 10-14 Tagen). Nach kurzem Überlegen erinnerte sich der Patient, dass die Therapie mit Rivaroxaban schon beendet werden soll. Damit war die Einnahme von Rivaroxaban nicht mehr erforderlich, und die Interaktion mit Rifampicin stellte kein akutes Problem mehr dar.
Bei Patienten mit dauerhafter Antikoagulation, z. B. aufgrund von Vorhofflimmern, stellt die Rifampicin-Therapie eine erhebliche Herausforderung dar. Es gibt keine einheitlichen Empfehlungen zum Management dieser Interaktion. Mögliche Strategien wären:
Umstellung auf Vitamin-K-Antagonisten (VKA) wie Phenprocoumon mit engmaschiger INR-Kontrolle. Diese kann unter Umständen problematisch sein und ist mit einem hohen Blutungsrisiko behaftet. Die volle CYP-Induktion ist nach ca. 14 Tagen erreicht und baut sich nach Absetzen des Induktors über einen ähnlichen Zeitraum wieder allmählich ab. Deshalb muss die VKA-Dosis beim Absetzen von Rifampicin wieder angepasst und anschließend auf ein DOAK umgestellt werden. Dies erfordert eine sehr engmaschige Überwachung und ist in der Regel nicht sicher durchführbar.
Therapie mit niedermolekularem Heparin (NMH) über die gesamte Rifampicin-Dauer plus ca. 2 Wochen danach. Diese Lösung ist jedoch invasiv und für viele Patienten über einen Zeitraum von 10 Wochen nicht praktikabel.
Engmaschige klinische Überwachung trotz der Interaktion ist nur in Ausnahmefällen vertretbar und mit einem erhöhten thromboembolischen Risiko verbunden.
Lieferengpass
Zum Zeitpunkt des Falls bestand ein bundesweiter Lieferengpass von Cotrimoxazol-Tabletten. Für die geplante Therapie über 10 Wochen mit 3 Tabletten täglich wären insgesamt 210 Tabletten (ca. 11 Packungen à 20 Stück) erforderlich gewesen. In der Apotheke war nur noch eine Packung verfügbar – Nachbestellungen waren nicht möglich.
Der Patient hatte zwei Optionen. Zum einen hätte er die eine verfügbare Packung erwerben und versuchen können, die restlichen Packungen selbst zu beschaffen. Dies hätte jedoch bedeutet, dass er zahlreiche Apotheken kontaktieren müsste und das mit ungewissem Erfolg. Eine solche Lösung ist für viele Patienten nicht zumutbar und birgt das Risiko einer Therapieunterbrechung.
Eine zweite Option wäre ein Wechsel des Antibiotikums nach Rücksprache mit dem/der behandelnden Arzt/Ärztin. Apothekerinnen und Apotheker können hier bereits einen Vorschlag vorbereiten, insbesondere, weil ein Antibiogramm vorlag:
Das vorliegende Antibiogramm zeigte einen Methicillin-sensiblen Staphylococcus aureus (MSSA), der gegenüber mehreren oralen Antibiotika empfindlich war. In der klinischen Praxis werden jedoch bestimmte Wirkstoffe aufgrund ihrer hohen Wirksamkeit besonders oft eingesetzt.
Eine bewährte Option bei fremdkörperassoziierten Infektionen stellt Levofloxacin dar. Dieses Fluorchinolon weist eine nahezu vollständige orale Bioverfügbarkeit auf und erreicht hohe Gewebekonzentrationen, auch in Gelenken und Knochen. Im Antibiogramm wurde es als „I“ klassifiziert – das bedeutet „sensibel bei erhöhter Exposition“. In diesem Fall ist eine hohe Dosis erforderlich (500 mg 1-0-1 oder 750 mg 1-0-0).
Trotz der bestehenden Rote-Hand-Briefe zu Fluorchinolonen sollte ihr Einsatz in diesem Fall nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Die Warnhinweise beziehen sich primär auf den Einsatz bei leichten, selbstlimitierenden Infektionen wie unkomplizierten Harnwegsinfekten oder Bronchitis. Bei schweren Infektionen mit Biofilmbeteiligung, wie periprothetischen Infektionen, überwiegt der Nutzen in der Regel das potenzielle Risiko. Eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung ist jedoch unerlässlich.
Weitere orale Alternativen wäre Doxycyclin (die Sensibilität lässt sich aus dem Tetracyclin im Antibiogramm ableiten). Amoxicillin/Clavulansäure wird in der Praxis seltener eingesetzt. Clindamycin war im vorliegenden Fall resistent. Dies entspricht dem aktuellen Trend zunehmender Resistenzen bei Staphylokokken und Streptokokken gegen Clindamycin. Laut aktueller Resistenzlage sind etwa 20% der Staphylokokken-Isolate gegen Clindamycin resistent.
Auch Linezolid wäre keine praktikable Option gewesen, selbst wenn es im Antibiogramm getestet worden wäre. Aufgrund seiner potenziell schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Myelosuppression oder periphere Neuropathie ist die empfohlene Therapiedauer auf maximal vier Wochen begrenzt. Das ist deutlich zu kurz für die geplante zehnwöchige Behandlung.
Der Patient hat beim Vorliegen des aktuellen Arztausweises die eine verfügbare Packung genommen und wollte die Empfehlung für Levofloxacin dem behandelnden Arzt in der Klinik vorschlagen. Er hat sich sehr für die Mühe bedankt.
Zum Schluss wurden dem Patienten praktische Hinweise gegeben, wie beispielsweise, dass Levofloxacin mit ausreichend Abstand zu mehrwertigen Kationen (z. B. Magnesium, Aluminium, Calcium) eingenommen werden soll, um eine verminderte Resorption zu vermeiden. Außerdem wurde auf mögliche Nebenwirkungen hingewiesen, insbesondere auf Sehnenprobleme wie Tendinitis oder Sehnenrupturen sowie auf psychische Störungen, die im Zusammenhang mit der Einnahme von Levofloxacin auftreten können. Vor Beginn der Therapie und im Verlauf sollte auch EKG zur Kontrolle des QTc-Intervalls geschrieben werden.
Wenn die Cotrimoxazol-Therapie fortgesetzt wird, sollten im Laufe der Behandlung Blutbild-, Leberfunktion- und Nierenfunktion-Kontrollen durchgeführt werden.
Bezüglich Rifampicin wurde der Patient auf die mögliche rötliche Verfärbung von Körperflüssigkeiten (z. B. Urin, Speichel, Tränen) hingewiesen sowie auf einen möglichen verminderten Appetit als Nebenwirkung. Auch hier sollen die Blutbild- und Leberfunktionskontrollen durchgeführt werden.
Dieser Fall zeigt, dass Apothekerinnen und Apotheker auf vielfältige Weise Patienten bei einer Antibiotikatherapie unterstützen können. Dazu gehören nicht nur wichtige Einnahmehinweise, sondern auch die Erarbeitung und Vorstellung alternativer Therapiemöglichkeiten.
Bei bestimmten Antibiotika, wie Rifampicin, ist besonders auf mögliche Interaktionen zu achten. Dabei reicht es nicht aus, lediglich auf das Vorliegen einer Wechselwirkung hinzuweisen. Es muss stets ein praktischer Vorschlag folgen, wie mit dieser Interaktion umgegangen werden kann.
Die umfassende Beratung konnte nur stattfinden, weil der Apotheker proaktiv nachgefragt hat. Auch wenn in der Apotheke ein ärztlicher Kollege anwesend ist, sollte eine Beratung angeboten werden. Gerade bei Antibiotika können Apothekerinnen und Apotheker durch ihr spezifisches Fachwissen erheblich zur sicheren und effektiven Therapie beitragen, da dieses Wissen in anderen Berufsgruppen oft nicht so ausgeprägt ist.
[Patryk Mysior]
Im Frühsommer besuchte ich die Medizinethikerin Frau Prof. Claudia Bozzaro am Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin an der Universität Münster. Sie arbeitet dort seit September 2024. Zusammen mit anderen Wissenschaftlern hatte sie einen Artikel zu Antibiotikaresistenzen veröffentlicht. Man geht weltweit jährlich von über einer Million Menschen aus, die an den Folgen einer Infektion mit resistenten Keimen versterben, in Deutschland sind vermutlich rund 10.000 Menschen pro Jahr betroffen. Was kann eine Medizinethikerin zur Lösung des Antibiotikarestenzproblems beitragen? Und welche Rolle spielen dabei Apothekerinnen und Apotheker?
Frau Bozzaro, Sie haben Philosophie und Kunstgeschichte studiert und sich bereits sehr früh für den Bereich Medizinethik als Ihren Arbeitsschwerpunkt entschieden. Wie kam es dazu?
Ich würde sagen, durch Zufall. Wie so manches im Leben. Ich hatte damals in Philosophie meine Masterarbeit zum Begriff der Banalität des Bösen geschrieben und plante eine Promotion im Bereich der politischen Philosophie. Mir ging es um einen Vergleich zwischen Hannah Arendt und Theodor Adorno und der Frage nach dem Umgang mit dem Bösen und dem Leiden. Aber ich benötigte natürlich eine Finanzierung für die Promotion. So kam eines Tages meine Dr. Mutter zu mir und schlug mir ein anderes, interdisziplinäres Projekt zum Thema Anti-Aging-Medizin vor. Zunächst war ich skeptisch, aber als ich das Projekt genauer angeschaut habe, fand ich die Forschungsfrage sehr spannend: Ist Altern eigentlich eine Krankheit? Es ging dabei um Aufgaben und Grenzen der Medizin. Und so bin ich mit dem Institut für Ethik und Geschichte der Medizin und Prof. Giovanni Maio in Freiburg in Kontakt gekommen, der mir nach meiner Promotion eine Stelle angeboten hat. Damit hatte ich mein Arbeitsgebiet gefunden.
Sie beschäftigen sich neben Fragen zu ethischen Herausforderungen zu Beginn und am Ende auch mit soziokulturellen und ethischen Aspekten von Schmerz. Und wie jeder Ethiker versuchen auch Sie Antworten auf die Frage nach Gerechtigkeit zu finden. Eines Ihrer Themen dabei ist die Antibiotikaversorgung. Da fällt mir als Apothekerin spontan der Stopp der Hilfsagentur USAID ein. Für viele Menschen bedeutet diese Entscheidung eine drastische Verschlechterung unter anderem in der Behandlung akuter, schwerwiegender Infektionen ein. Ist das gerecht? Wie sieht das ethisch aus, wenn derjenige, der in der glücklichen Lage ist über Verteilungen überhaupt entscheiden zu können, sich gegen Unterstützung entscheidet?
Die Antwort liegt natürlich auf der Hand: das ist nicht gerecht. Wir haben eine ungerechte Verteilung weltweit, zwischen Ländern der ersten und der dritten Welt, aber auch innerhalb reicher Länder selbst wie zum Beispiel in den USA. Die dortige Ungerechtigkeit führt ja auch dazu, dass in den USA die Lebenserwartung in den letzten Jahren wieder drastisch gesunken ist. Auch wenn viele immer ein wenig neidisch auf die Möglichkeiten der Medizin in den USA blicken, muss man sich klarmachen, dass nur der reiche Teil, also nur ein kleiner Teil der Bevölkerung von diesen Entwicklungen profitiert.
Noch mal zurück zum Streichen der Gelder von USAID: Bei dieser Unterstützung handelt es sich um eine Art Entwicklungshilfe und kein reicher Start leistet Entwicklungshilfe aus rein altruistischen Gründen. Spätestens Corona hat deutlich gemacht, dass Infektionskrankheiten keine Grenzen kennen und wenn man die Hilfe zur Behandlung von Infektionskrankheiten in besonders betroffenen Ländern streicht, ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, dass diese auch in den reichen Ländern verstärkt auftreten. Wir leben nun mal in einer globalisierten Welt, so kann der Wegfall der Unterstützung schnell zum Bumerang werden. Vielleicht bietet sich den betroffenen Ländern aber auch die Chance, Strategien für die Verbesserung ihrer eigenen Versorgungslage zu entwickeln.
Unlängst wurde ein Leopoldina Policy Brief zum Thema Antibiotikaversorgung veröffentlicht. Seit 1980 sind keine neuen Klassen an antimikrobiellen Wirkstoffen entwickelt worden. Die unsichere wirtschaftliche Lage der Hersteller wird als Ursache vom Leopoldina-Expertengremium, bestehend aus dem Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dietmar Harhoff, Ph.D., der Chemikerin und Virologin Prof. Dr. Helga Rübsamen-Schaeff und dem Mikrobiologen Prof. Dr. Axel A. Brakhage, genannt. Sie empfehlen für die Sicherung der Antibiotikaversorgung wirtschaftliche Anreize für die Entwicklung. Wie beurteilen Sie diesen Ansatz?
Ich beurteile diesen Ansatz grundsätzlich positiv. Natürlich müssen wir uns kümmern, neue Antibiotika zu entwickeln und wenn dafür Anreize notwendig sind, finde ich das gerade aus Sicht des Staates eine durchaus nachvollziehbare Investition. Aber wir müssen uns dennoch vor Augen führen, dass natürlich die Weiterentwicklung von neuen Antibiotika unser Grundproblem wahrscheinlich nicht lösen wird. Denn auch neue Antibiotika werden über kurz oder lang ihre Wirkung verlieren, weshalb ich es für sinnvoll halte, parallel auf alternative Methoden zu setzen. Während meiner Tätigkeit an der Universität in Kiel konnte ich Professor Hinrich Schulenburg kennenlernen, der als Evolutionsbiologe forscht. Er konnte zeigen, dass allein durch eine veränderte Vergabe von Antibiotika, zum Beispiel wenn man bestimmte Zeiträume zwischen der Gabe von zwei Dosen ändert, oder durch die Kombination von zwei Antibiotika man Resistenzentwicklungen beeinflussen kann. Ich fände es interessant, solche Effekte aus der Grundlagenforschung in der Klinik zu erproben. Das sollte man parallel zur Weiterentwicklung neuer Antibiotika auch fördern.
Sie haben mit einigen Kollegen 2023 in der Zeitschrift Ethik der Medizin einen Artikel veröffentlicht, der den Titel trägt: „Das gute Leben heute und morgen: Antibiotikaresistente Keime als Nachhaltigkeitsproblem in der Medizin“. Der Titel überrascht im ersten Augenblick. Wir haben kein Nachhaltigkeitsproblem, Ärzte und Apotheker beschäftigt ein Resistenzproblem. Sie fokussieren in Ihrem Artikel auf den Capability-Ansatz der Vereinten Nationen. Erklären Sie diesen Ansatz bitte für unsere Leserinnen und Leser, bevor wir uns dann der Frage zuwenden, warum wir wegen Antibiotikaresistenzen ein Nachhaltigkeitsproblem haben.
Capability kann man vielleicht so am besten erklären, dass es Lebensvoraussetzungen gibt, die notwendig sind, damit Menschen ihre persönlichen Ziele und die Fähigkeiten, die sie haben, für ein gutes Leben überhaupt nutzen können. Es geht quasi um die Startbedingungen, die Menschen haben. Der erste, der das gefordert hat, ist der indische Ökonom und Nobelpreisträger Amartya Sen. Weiterentwickelt hat diesen Ansatz Martha Nussbaum, die eine Liste der Capabilities zusammengestellt hat, die jeder Mensch haben sollte, damit er oder sie nach der eigenen Façon und Kultur ein gutes Leben führen kann. Dazu gehört natürlich auch Gesundheit. Gesundheit ist eine wichtige Voraussetzung, dass man ein gutes Leben führen kann.
Warum stellen Antibiotikaresistenzen ein Nachhaltigkeitsproblem dar?
Der Einsatz von Antibiotika hat unser Leben maßgeblich beeinflusst. Wir versterben nicht mehr an Infektionskrankheiten. Antibiotika ermöglichen überhaupt erst viele erfolgreiche Operationen. Also haben wir es hier mit einem wichtigen Gut zu tun. Was heißt das aber in Bezug auf Nachhaltigkeit, wenn sich Resistenzen bilden. Die meisten Menschen denken bei Nachhaltigkeit als erstes an Klimawandel und Ökologie. Aber es gibt noch einen etwas anders konnotierten Nachhaltigkeitsbegriff, nämlich den der Vereinten Nationen. Dieser besagt, dass eine Entwicklung dann nachhaltig ist, wenn sie die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne die Fähigkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Bei diesem Konzept von Nachhaltigkeit geht es also darum, dass wir eine Verantwortung dafür haben mit Ressourcen so umzugehen, dass auch künftige Generationen gut leben können. Es geht dabei um mehr als nur den ökologischen Gedanken, auch wenn wir nicht wissen, wie die Grundbedürfnisse zukünftiger Generationen sind und welchen Zeithorizont wir dabei beachten sollen. Aber die Grundidee ist, wir haben Verantwortung für die Zukunft und wie gehen wir mit knappen medizinischen Ressourcen um? Die Versorgung mit Antibiotika ist ein ganz wichtiger Bestandteil einer guten Gesundheitsversorgung. Leider ist diese wichtige Ressource durch die Resistenzbildung ein begrenztes Gut und wir sind verpflichtet aus Gründen der intergenerationallen Gerechtigkeit sorgsam und nachhaltig damit umzugehen.
In Krankenhäusern sind inzwischen Antibiotic Stewardship-Programme etabliert; auch im ambulanten Bereich sind Ärztinnen und Ärzte sensibilisiert und verordnen weniger Reserveantibiotika. Insgesamt steigen die Zahlen der Antibiotikaverordnungen jedoch wieder an, waren sie seit 2014 und insbesondere während Corona deutlich zurückgegangen. Für 2024 sind die Verordnungen für Antibiotika gut 6 % höher als vor Corona. Der Anteil der Reserveantibiotika ist mit ca. 43,5 % gleichbleibend. Was tun?
Ganz aktuell habe ich in einem Artikel in der Ärztezeitung gelesen, dass Ärzte mit einer Online-Kommunikationsschulung ihr Verordnungsverhalten bezüglich Antibiotika verändern. Das ist ein guter Hinweis, dass Awareness für das Thema zu erhöhen, ein guter Ansatz ist. Vielleicht sind sich viele Ärzte auch nicht bewusst, dass sie mehr Antibiotika verordnen als vergleichbare Kollegen. Kontrolle oder Feedback als Möglichkeit, ich glaube, da kann man noch einiges rausholen. Was ich auch nicht verkehrt fände, wäre noch mehr Awareness in der Bevölkerung zu schaffen und hier auch wirklich die unterschiedlichen Patientengruppen zu adressieren. Seitdem ich mich mit dem Thema beschäftige, fasziniert mich der kulturell abhängige Umgang mit Antibiotika. Ich bin selbst in Italien groß geworden und kann in meiner Familie beobachten, wie schnell man zu einem Antibiotikum greift. Es ist auch wissenschaftlich nachgewiesen, dass Südeuropäer hier ein anderes Bewusstsein haben. Dass Antibiotika die Darmflora schädigen, das ist überall bekannt, dass man aber den Arzt erstmal um einen Test bitten kann, ob es sich wirklich um eine bakterielle Infektion handelt, das wird noch zu wenig gemacht. Auch in diesem Kontext gibt es durchaus Ansätze für mehr Nachhaltigkeit.
Falls das nicht ausreicht, muss man dann weitere Schritte gehen, die dann auch ethisch schwierig werden, nämlich den Einsatz von Antibiotika zu rationieren. Das heißt, wenn wir das Problem ernst nehmen und in den Griff bekommen wollen, z.B. bei elektiven Operationen zu fragen, ob diese wirklich notwendig sind, um auch Antibiotika einzusparen. Und sollte es zukünftig keine neuen Antibiotika geben, werden wir dann auch noch über andere Fragen von Rationierung sprechen wie Alter oder so. Das sind dann wirkliche Probleme, aber wenn die WHO mit ihren Prognosen Recht hat, werden wir wegen Antibiotikaresistenzen dann solche schwierigen Entscheidungen fällen müssen.
Damit stehen Ärztinnen und Ärzte eigentlich schon heute vor dem Dilemma, wann bekommt wer welches Antibiotikum. In den Apotheken werden wir auch gefragt, warum kein Antibiotikum verordnet wurde. Aber wenn es verordnet ist, geben wir es ab. Welchen Beitrag können Apothekerinnen, Apotheker und PTA zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen leisten?
Ich sehe Apotheker durchaus in einer aktiven Rolle, zum Beispiel aufzuklären, dass Antibiotika nicht leichtfertig angewandt werden sollen oder dass Ärzte und Ärztinnen über eine Verordnung sehr bewusst entscheiden. Besonders wichtig ist die richtige Anwendung den Patienten „einzubläuen“. Meine Erfahrung mit Apothekern ist schon, dass sie mir genau erklären, wie oft am Tag und wie lange ich das Antibiotikum nehmen soll, aber nicht warum. Deshalb sollte der Apotheker sich noch zwei Minuten Zeit nehmen, um zu erklären, warum es so wichtig ist, dass der Patient sich genau an die Anweisungen hält? Das ist eine extrem wichtige Aufgabe aufzuklären, einfach und laienverständlich, dass wir bei falscher Anwendung Bakterien züchten, die uns später auf die Füße fallen.
Das ist ein sehr guter Vorschlag, den ich als Idee weitertrage. Vielen Dank für das Interview.
[Das Interview führte Dr. Constanze Schäfer]
Prof. Claudia Bozzaro ist in den USA geboren, aufgewachsen in Italien (Turin); Studium der Philosophie und Kunstgeschichte an Universitäten in Paris und Freiburg, Magister Artium und Promotion Universität Freiburg; ebd. Habilitation für das Fach Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der Medizinischen Fakultät; 2020 W2-Professur Medizinethik in Kiel, seit September 2024 W3-Professur Medizinethik in Münster.
Testen Sie spielerisch Ihr Wissen rund um Antibiotika und den Impfpass.
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