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Knifflige Beratungssituationen souverän meistern

Rund 700 Teilnehmer begrüßte Vizepräsidentin Kathrin Luboldt sehr herzlich zum Digitalen Fortbildungsabend am 21. Februar 2024. Der Fortbildungsabend fokussierte auf der Beratung als zentrales Thema des Apothekenberufs. Gerade in Zeiten, wenn über Apotheken ohne Apotheker und Filialen ohne Rezeptur diskutiert wird, so Luboldt, muss sich die Vor-Ort-Apotheke ist eine tragende Säule des Gesundheitswesens präsentieren.

Ohne Vor-Ort-Apotheke ist die Arzneimittelversorgung massiv gefährdet. Die finanziellen Herausforderungen und das E-Rezept verlangen allen Mitarbeitern in den Apotheken derzeit viel ab. Vermutlich werden sich Patientenströme neu orientieren. Umso wichtiger, die Patienten persönlich an die eigene Apotheke zu binden und zu vermitteln, welchen Benefit die Patienten in der Apotheke im Vergleich zum Versender haben. Dafür bietet sich pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) an. Sie sind zeitaufwändig, aber es ist das erste Mal, dass Apotheken gegenüber Krankenkassen eine Vergütung auslösen können.

Dr. Renner machte in ihrer Begrüßung auf wichtige Termine in den kommenden Wochen und Monaten aufmerksam, unter anderem auf die bevorstehende Kammerwahl, eine Fortbildung zum E-Rezept, zu einem pDL-Symposium für PTA und weitere interessante Angebote. Sie führte durch das Programm und motivierte die Teilnehmenden die pDL als Chance zu nutzen.

Mit den richtigen Links in die pDL orale Zytostatika starten

Die Krankenhausapothekerin Dr. Steffi Künne stellte wichtige Beratungstools, Links und Tipps für die Abgabe von oralen Zytostatika und die Erbringung der pDL Pharmazeutische Betreuung bei oraler Tumortherapie vor. Sie betonte die Bedeutung spezifischer Einnahmehinweise, um die Wirksamkeit der Medikamente zu maximieren und mögliche Nebenwirkungen zu minimieren. Sie präsentierte für Patienten mit Schluckstörungen oder Sonde die Anwendung des Fluid-Fluidkonnektors zum Auflösen von Zytostatika in zwei Spritzen. Diese und viele andere Informationen wie z.B. auch zur Vorbeugung und Behandlung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) wie Durchfall sind in den Ambora-Informationsblättern (UK Erlangen) in patientenverständlicher Sprache aufbereitet. Ein besonderes Risiko stellen mögliche Wechselwirkungen von oralen Zytostatika mit anderen Medikamenten dar. Die häufigsten Wechselwirkungsmeldungen in der Onkologie sind:

•       pH-Wert beeinflussende Medikamente

•       CYP-Interaktionen

•       QT-Zeit-Verlängerung

•       Serotonin-Syndrom (sehr selten, dann aber akut)

Hier empfahl Dr. Künne im Zweifel immer den Kontakt zum behandelnden Onkologen zu suchen. Neben- und Wechselwirkungen in einer Zytostatikatherapie werden hinsichtlich der Risiken und dem Nutzen zum Teil hinsichtlich des Anpassungsbedarfs anders beurteilt. Am Beispiel Simvastatin und Palbociclib stellte sie dazu die Datenbank www.drugs.com als ein nützliches Recherchetool vor. Auch die Ansätze komplementärer Medizin in der Behandlung von onkologischen Patienten ist für die Betreuung von Bedeutung, so Dr. Künne. Sie wies hier auf die AWMF-Leitlinie 032-055OL hin. Insgesamt wurde deutlich, dass zahlreiche Websites für eine gute Beratung zur Anwendung oraler Zytostatika unterstützen. Sie unterstützen sowohl für die Einarbeitung und die Umsetzung der pDL Pharmazeutische Betreuung bei oraler Tumortherapie als auch für Patienten und ihre Familien mit wertvollen Informationen. Alle wichtigen Links sind im Skript von Dr. Künne gelistet.

Was pDL und Kriminalfälle gemeinsam haben

Zur Überleitung auf die Vorstellung eines spannenden Falls aus dem pDL-Supportcenter, wies Dr. Renner auf die ab dem 7. März 2024 geschalteten Fernsehspots im ZDF hin, die das pDL-Angebot in den Apotheken bewerben.

Maren Patte von der Apothekerkammer Nordrhein stellt die Arbeit des pDL-Support-Centers anhand des Kriminalfalls „Drei Fragezeichen und der rätselhafte Fall der alten Dame“ vor. Eine 73-jährige Patientin mit schwachen Augen und steifen Gelenken ist die Geschädigte und die beiden Ermittler – der Apotheker Justus B. direkt vor Ort und der verdeckte Ermittler in der Kammer jagen die ABP. Durchfall, Müdigkeit und Schwäche machen der Patientin zu schaffen, die unter anderem mit Azulfidine die Colitus ulcerosa in Schach hält. Der Apotheker vor Ort führt deshalb mit ihr bei acht Arzneimitteln in der Dauermedikation eine pDL-Medikationsanalyse durch. Mit dem Gesprächsleitfaden kann der Ermittler vor Ort geschickt und gezielt im Rahmen eines Brown-Bag-Reviews seine Recherche durchführen. Dabei stellt sich die Einnahme von 15 Arzneimitteln heraus. Auch wenn einige sofort aussortiert werden konnten … der verdeckte Ermittler musste eingeschaltet werden. Der Apotheker Justus B. leitet alle Unterlagen an ihn weiter. Gemeinsam versuchen Apotheker und verdeckter Ermittler die Verdächtigen einzukreisen und die richtigen Prioritäten zu setzen. Von der potenziell größten Gefahr ausgehend werden die ABP durchleuchtet. Weitere Recherchen, die für Aufklärung wichtig sind, zu Einnahmezeitpunkte oder erstem Auftreten werden vorgenommen. Aber nicht nur Nebenwirkungen und Interaktionen können zu Durchfall, Müdigkeit und Schwäche führen, sondern auch Lebensumstände. Der verdeckte Ermittler priorisiert weitere Fragen. Unterstützt nicht die Nachbarin bei der Anwendung der Fentanylpflaster? Lag hier das Problem? Wo kommt die Diarrhoe her? Ist das fentanyltherapiebegleitende Laxoberal möglicherweise zu hoch dosiert? Und was hat es mit dem Tipp der Nachbarin auf sich, Loperamid gegen den Durchfall einzunehmen. Der Apotheker Justus B. hat mit diesen Fragen und seinem guten Draht zum Hausarzt der Patientin den Fall vor Ort klären können. Leider hat er vergessen, dem verdeckten Ermittler sein Ergebnis mitzuteilen. Aber wenige Wochen später entdeckt dieser einen interessanten Artikel: „Durchfall, Müdigkeit und Schwäche konnten durch das beherzte Eingreifen von Justus B. bei einer 73-jährigen Patientin als Folge einer nicht mehr gut eingestellten Azulfidinetherapie eliminiert werden.“

Metabolisches Syndrom bietet viele Ansatzpunkt für pDL

KHK-Therapie bei Polymedikation – Ina Richling, ParmD, und Dr. med. Christian Fechtrup bearbeiteten interdisziplinär, wie die Therapie eines 63-jähriger übergewichtigen und rauchenden Patienten mit Diabetes, arterieller Hypertonie und chronischer Niereninsuffizienz sowie KHK mit Stent behandelt, paVK, Hyperlipidämie und Schlafapnoe – also ein Patient mit metabolischem Syndrom – optimiert werden kann. Zunächst ging Richling auf seine Nierenwerte ein und welchen Einfluss das Gewicht des Patienten auf die Ergebnisse der Laborwerte hat. Sie erläuterte die unterschiedlichen Berechnungsmöglichkeiten und Ansätze der Dosisoptimierung. Dies spielt bei der Therapie mit Metformin eine Rolle. Wichtig für einen Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz sind bei der Metformin-Einnahme Informationen, dass NSAR kontraindiziert sind und besondere Vorsicht bei großer Hitze oder starkem Schwitzen geboten ist. Dr. Fechtrup ergänzte, dass in diesem Fall ein Inkretinmimetikum ein sinnvollet therapeutischer Ansatz sein könnte. Ihm fiel auch auf, dass der Patient, wie häufig nach Krankenhausaufenthalt zu beobachten, Pantoprazol als Dauermedikation verordnet bekommt. Das ist vermutlich überflüssig, da keine Refluxbeschwerden beschrieben sind. Metoprolol wird von beiden Experten kritisch betrachtet. Oft, so Dr. Fechtrup, handelt es sich um einen Automatismus, dass Betablocker bei KHK-Patienten verordnet werden. Eigentlich sind Betablocker sinnvoll z.B. bei Herzinsuffizienz oder nach Infarkten. Bei Frauen, ergänzte Richling, sollte anstelle des Metoprolols wegen metabolischer Unterschiede zu Männern besser Bisoprolol gegeben werden. Auch die Lipidtherapie allein mit Simvastatin diskutierten Richling und Dr. Fechtrup. Um z.B. den gewünschten Zielwert von 55 mg/dl LDL bei einem Diabetiker zu erreichen muss man ein Statin mit hoher Reduktionswirkung auswählen. Deshalb ist Simvastatin nicht mehr so häufig in der Versordnung. Atorvastatin und Rosuvastatin sind die beiden Wirkstoffe der Wahl. Reicht das Statin allein nicht, so Dr. Fechtrup, dann wird es mit Ezetimib kombiniert und falls nötig zusätzlich noch mit Bempedoinsäure. Hier muss allerdings die Harnsäure im Blick behalten werden. Polymorbide Patienten sind eine gemeinsame Herausforderung für Arzt und Apotheker. Insgesamt bleibt auch nach einer Medikationsanalyse und Optimierung der Therapie die Medikation eines solchen Patienten so komplex, dass man in der Apotheke vor allem die Adhärenz fördern muss. Man benötigt eine partizipative Entscheidungsfindung zugunsten der Patienten gemeinsam mit dem Patienten.

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